Predigt zum 5. Sonntag nach Trinitatis 2020

Hören und lesen Sie die Predigt von Pfarrer Christian Noeske zum 5. Sonntag nach Trinitatis 2020:

 Predigt zum 5. Sonntag nach Trinitatis 2020 (Pfarrer Christian Noeske)

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Predigt zum 5. Sonntag nach Trinitatis 12. Juli 2020 (Pfarrer Christian Noeske)

Einmal im Jahr bin ich im Kloster zu Gast.

Zusammen mit weiteren Lehrern der Neurottschule verbringe ich ein Wochenende in Münsterschwarzach.

Hier in Münsterschwarzach steht ein großes Kloster des Ordens der Missionsbenediktiner, recht bekannt durch den Erfolgsautor Pater Anselm Grün.

Lebendig stehen mir die Mittags- und Abendgebete vor Augen.

Dann ziehen die Mönche in einer langen Reihe von der Klausur in den großen Altarraum ein.

Beim Betrachten der Mönche in ihren Kutten denke ich immer mal wieder:

Jeder dieser Männer, hat seinen Grund, warum er hier ist. Jeder von diesen muss einen Ruf gehört haben, muss eine Berufung erlebt haben, diesen besonderen Weg einzuschlagen.
Sonst wäre er nicht hier.

Wir haben eben in der Lesung eine Bibelgeschichte, die Geschichte einer Berufung gehört.

Jesus sprach zu Simon: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen“

Diese Berufung hat eine Vorgeschichte:

  • Die Enttäuschung über die leeren Netze
  • Die Predigt Jesu an die Menge
  • Und natürlich der wunderbare Fischzug

Dann kommt der Ruf Jesu: Folgt mir nach! Bleibt bei mir! Geht mit mir und helft mir, die gute Botschaft von der Nähe Gottes zu den Menschen zu bringen.

Und dann gibt es für Petrus und seine Kameraden kein Halten mehr.

„Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach“ heißt es in unserer Bibelgeschichte.

Unsere Partnerkirche in den USA, die United Church of Christ, folgt seit einigen Jahren in ihrer kirchlichen Arbeit einem schönen Motto.

Es lautet: „God is still speaking“ übersetzt:
Gott redet noch!
Gott spricht noch zu den Herzen!
Gott beruft weiter Menschen in den Dienst!

Gott hat diese Welt nicht aufgegeben, sondern wirkt hier und heute und wirkt in besonderer Weise durch Menschen, die sich Gott zur Verfügung stellen.

Das was Petrus erlebt hat:

  • Dass Jesus sich auf seine Ruderbank setzt
  • dass Jesus ihm sagt: Lass mich Teil deines Lebens sein!
  • Und dieses: Ich habe einen speziellen Weg für dich – lass dich darauf ein“

Das erleben Menschen weiterhin – God is still speaking – und die Mönche in Münsterschwarzach, wenn sie allabendlich zum Abendgebet einziehen, sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Gott weiter Menschen in den Glauben und in seine Nachfolge ruft.
Gott sei Dank!

Die Berufungsgeschichte des Petrus beginnt mit leeren Netzen.

„Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“

Solche Momente der Frustration sind uns nicht fremd.

Wir haben uns Mühe gegeben – aber unser Gegenüber honoriert das nicht.

Wir strecken die Hand aus zur Versöhnung – aber unser Gegenüber will nicht darauf eingehen.

Wir versuchen etwas auf den Weg zu bringen – aber die Hindernisse sind zu groß, es ist nichts zu machen.

Eine Lehrerin gibt sich große Mühe mit einem Schüler – sie versucht viel, dass dieser weiter kommen kann. Aber alles Bemühen fruchtet nichts, leider!

Die ganze Nacht gefischt – aber die Netze blieben leer.

In der Bibelgeschichte gibt es ein Happy End: Die leeren Netze am Ende der Geschichte so gefüllt, dass sie kaum nach Hause gebracht werden können.

Wahrscheinlich gehört es zu unserem Leben, dass wir immer mit beidem rechnen und immer mit beidem leben müssen.

Wir erleben beides: Die hohen und guten Stunden und Momente: Wo uns etwas gelingt – wo wir ankommen – wo wir Erfolg haben – wo das, was wir anbieten, nachgefragt wird
wo wir jemand anderem hilfreich sein können.

Aber eben das andere auch: Dass wir uns Mühe geben und der gewünschte Effekt tritt nicht ein.
Dass wir uns bemühen und dennoch gibt es keine Veränderung – wir müssen mit dem Status Quo leben.

Zwischen Erfolg und Misserfolg, zwischen Gelingen und „Gut gemeint aber nicht erfolgreich“, in dieser Spannung sind alle unsere Bemühungen.

Deshalb gilt. Sich nicht entmutigen lassen, wenn etwas einmal nicht so gelungen ist, wie wir uns das dachten.

Uns nicht entmutigen lassen, wenn unsere freundlichen und wohlüberlegten Aktionen, Handlungen und Gesten ins Leere gegangen sind.

Bleiben wir trotzdem dran, die Netze weiterhin auswerfen und weiter fleißig für die gute Sache zu wirken.

Unser Bibelabschnitt schließt mit dem Satz Jesu:

Hab keine Angst, Petrus, von jetzt an wirst du ein Menschenfischer sein!

Es ist gut nachzuvollziehen, was das im Zusammenhang des Lukas-Evangeliums bedeutet:

Petrus, der Fischer, soll nun Menschen für Jesus gewinnen, sie für den Glauben begeistern,
die Kirche steuern wie er sein Boot gesteuert hat – eine Berufung, eine Herausforderung, die Petrus angenommen und kräftig umgesetzt hat.

Auch wir selber sind in der Spur des Petrus aufgerufen, für den Glauben zu werben. Menschen einzuladen dem Ruf Jesu in die Nachfolge zu hören – die Einladung an Glaubensferne auch den Weg des Vertrauens und des Glaubens zu gehen: Also „Menschenfischer“ zu sein.

Vor kurzem begegnete mir dieser Ausdruck „Menschenfischer“ auch noch in einem anderen Zusammenhang. Das war in einem Artikel, den ich gelesen habe.

Dabei ging es um die diversen Rettungsaktionen für die Flüchtlingsschiffe auf dem Mittelmeer.
Bei aller Problematik, dass dieses auch ein sogenannter „Pull-Faktor“ für die Flüchtlinge sein könnte ist es doch, so finde ich, eine wichtige und hilfreiche und zutiefst menschliche Mission:

Menschen in Not „aufzufischen“

In dem Artikel, den ich gelesen habe, berichtet ein katholischer Seelsorger über seine Zeit auf einem dieser Schiffe.

Ich möchte Ihnen im folgenden einige Sätze aus einem Interview mit ihm wiedergeben.
Er wird gefragt:

Frage: Was passiert, wenn ein Schiff Flüchtlinge im Mittelmeer entdeckt?

Militärseelsorger: Es ist nicht wie im Abenteuerfilm, wo jemand im Ausguck steht und winkende Menschen im Fernglas entdeckt. Wenn ein Flüchtlingsboot die Hoheitsgewässer eines Landes - in unseren Fällen war es Libyen - verlässt, setzt es per Satellitentelefon einen Notruf ab. Der wird in der römischen Koordinierungsstelle aufgefangen. Dann sendet das Rettungscenter das nächstgelegene Rettungsschiff los. Bis es da ist, kann es Stunden dauern.

Frage: Wie geht es weiter?

Militärseelsorger: Die Bootsflüchtlinge werfen dann oft alles über Bord: Navigationshandys und Benzinkanister. Manchmal stechen sie kleine Löcher in die Schlauchboote. So sind sie definitiv in Seenot - und müssen nach internationalem Seerecht gerettet werden.

Frage: Was war Ihre Aufgabe an Bord des Marine-Rettungsschiffs?

Miltitärseelsorger: Ich bin eigentlich als Seelsorger für die Soldaten an Bord gegangen. Man wusste ja nicht, was uns begegnet: Leichen im Wasser? Aber als dann im Lauf des Einsatzes Verstärkung für die Stammbesatzung gesucht wurde, habe ich mich freiwillig gemeldet.

Frage: Wie lange waren sie auf dem Schiff mit dem Namen "Berlin"?

Militärseelsorger: 30 Tage. In dieser Zeit haben wir zusammen mit der Fregatte "Hessen" 3.419 Flüchtlinge gerettet. Das waren keine testosteronstrotzenden aggressiven Männer. Im Gegenteil. Das waren müde, freundliche Menschen. Auch viele Frauen, Jugendliche und Kinder waren dabei. Manche haben ein Holzkreuz um den Hals getragen oder einen Rosenkranz. Manche haben die Schuhe auf dem Schiff ausgezogen als Zeichen der Ehrerbietung. Muslime haben ihre Gebete verrichtet. Am Ende haben wir sie in einem Hafen abgegeben. Da habe ich mir abends Gedanken gemacht: Was passiert jetzt mit ihnen?

Frage: Sind Sie dabei wütend geworden?

Militärseelsorger: Wir kippen - salopp gesagt - die Flüchtlinge den Italienern vor die Füße und sind froh, dass wir sie wieder loshaben. Wir fischen sie aus dem Meer, wirklich wie die Menschenfischer der Bibel! Wir tun etwas, das Jesus wollte: Menschen aus dem Schattenreich des Todes holen. Nur können wir dabei nicht stehen bleiben. Europa feilscht um Quoten wie auf einem Basar. Ich habe mich gefragt, was können wir Christen jetzt tun?

Soweit dieser kleine Einblick in das, was diesen katholischen Soldatenseelsorger bewegt.
Er hat eine Brücke geschlagen von den „Menschenfischern“ der Bibel zu den Rettern im Mittelmeer.

Das Interview kommt aus dem Jahr 2016 – seitdem ist die Lage wieder etwas verändert.

Um Fischer und Menschenfischer ging es heute morgen.

Und um Schiffe, die retten!

Wir sind eingeladen, im Schiff, das sich Gemeinde nennt, auf dem Meer der Zeit unterwegs zu sein.

Die Bibelgeschichte erinnert uns an unsere Berufung, dass die Schifffahrt nicht allein der eigenen Wohlfahrt dient, sondern wir immer wieder auch den anderen, den Nächsten im Blick haben sollen.

Auch unseren Mitmenschen gilt die Fürsorge und das Freundschaftsangebot unseres Gottes.
Seien auch wir Boten Gottes, Werkzeuge seines Friedens!

Dass auch wir unseren Teil beitragen, dass Menschen Rettung, Heilung, Linderung ihrer Not und Zuspruch erfahren.

Jesus will auch uns als Menschenfischer haben

und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Denken, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus

Amen

 

Das Interview ist zu finden: Externer Link www.katholisch.de/artikel/8182-wie-die-menschenfischer-der-bibel

 

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