Predigt zum Sonntag Rogate

Hören und lesen Sie die Predigt von Pfarrer Christian Noeske zum Sonntag Rogate 2020:

 Predigt zum Sonntag Rogate 2020 von Pfarrer Christian Noeske

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Predigt am Sonntag Rogate 17.Mai 2020 (Pfarrer Christian Noeske)

In einem neueren christlichen Lied heißt es:

„Beten ist Reden mit Gott und Hören
Beten kann Sorge in Freude kehren
Gott hat versprochen, Gebet zu hören
Bete und nimm ihm beim Wort.“

Um‘s Beten soll es heute morgen gehen.

Beten ist ein durchgängiges Thema in der Bibel.
Ich denke an Noah, der einen Altar für Gott aufrichtet und dankt für die Bewahrung in der Flut.
Abraham steht im lebendigen Austausch mit Gott.
Der biblische Daniel hat ein Fenster nach Jerusalem immer geöffnet –
im Gebet ist er verbunden mit Gott.
Im hebräischen Teil der Bibel gibt es ein ganzes Buch der Gebete an Gott: Die Psalmen

Schauen wir ins Neue Testament:
in der Apostelgeschichte wird erzählt, dass sich die Gemeinde einmütig zum Gebet zusammengefunden hat.
Und in den neutestamentlichen Briefen werden die Gemeindemitglieder zum Gebet ermutigt.

Und natürlich wird uns Jesus als Beter in den Evangelien vor Augen gestellt.
Im Garten Gethsemane, kurz vor seiner Gefangennahme,
oder aber auch in der Zeit in der Wüste – 40 Tage des Rückzugs in die Stille und in den innigen Kontakt mit Gott.

Und seine Jünger bitten Jesus: Lehre uns beten

Wir hören heute morgen auf einen Bibelabschnitt, in dem Jesus über das Beten spricht
Ich lese aus dem 6. Kapitel des Matthäusevangeliums.

„Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.
Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6, 5-15)

Die Mitte dieses Abschnitts bildet das Vaterunser-Gebet.
Es ist uns allen doch wohl sehr vertraut.

Mir geht es so, dass mir besondere Momente im Gedächtnis sind,
wo wir zusammen das Vaterunser gebetet haben:

Zum Beispiel: In einer Not-Situation und Worte fehlen.

Oder Ich erinnere mich: Wenn wir in einer großen internationalen Runde zusammen waren
und dann jede und jeder in seiner oder ihrer Sprache das Vaterunser-Gebet sprach
und ein Moment der inneren Verbundenheit entstand.

Tauchen wir miteinander ein in dieses Gebet, das Jesus uns gelehrt hat.

Wir dürfen „Vater“ zu Gott sagen – eine vertrauensvolle Anrede
und sind uns dessen bewusst, dass Gott nicht männlich ist,
sondern genauso mütterlich sich uns zuwendet.

Wo ist der Himmel? Der Himmel ist nicht oben – der Himmel ist hier bei uns
wenn wir Gottes Willen tun
wenn wir in seinem Namen zusammen sind
dann ist der Himmel in besonderer Weise uns nahe.

Welche Gebetsbitte steht am Anfang?

Bei unserem Gebet ist es oft das, was gerade am wichtigsten ist – was uns gerade am meisten fehlt.

Manchmal muss das so sein. Und dann bleibt nichts anderes als in einem Stoßgebet zu Gott zu sprechen: Gib mir Kraft – Hilf mir – steh mir bei!

Aber „ohne Not“ sollen wir uns als erstes darauf besinnen:

„Dein Name werde geheiligt“

In einem Lied heißt es:

„Lass uns in deinem Namen, Gott, die nötigen Schritte tun
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute und morgen zu handeln.“

Nicht nur durch Worte
sondern auch durch Taten
und durch unsere Existenz – sind wir entweder etwas zum Lobe seines Namens
oder wir verleugnen unsere Berufung.

Es geht gleich am Anfang darum, zu dem zu stehen,
was wir bekennen, was wir glauben, wozu wir berufen sind.

Dein Reich komme – dein Wille geschehe

Diese Linie wird mit diesen beiden nächsten Bitten aufgenommen.

Die Welt ist nicht das Paradies!
Aber wir können dazu mithelfen, dass bruchstückhaft etwas sichtbar wird
von dem Reich seiner Liebe:

  • dass der Wille Gottes sich durchsetzt … wenn auch nur zeichenhaft hier und dort,
    wenn Hungernde gespeist,
    Traurige getröstet
    Menschen auf-leben können
    und auch die Schöpfung in angemessener Weise bewahrt wird.

Möge Gottes Willen sich immer mehr durchsetzen
durch Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren und für das Gute einzusetzen.

Auch das, was wir selber nötig haben, kommt beim Vaterunser in den Blick:

„Unser tägliches Brot gib uns heute“

Und für mich hat es eine innere Logik, dass wir gleich danach um Vergebung bitten.

Denn die Güter sind sehr ungleich verteilt.
Wir sind doch in aller Regel gut situiert und haben viel mehr als die Menschen in Not.
Und deshalb bitten wir Gott: „Vergib uns“ – dass wir unser Leben nicht anders organisieren.

Und wir bitten Gott, dass er uns zur Vergebung bereit macht,
wo das möglich ist.

Die Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ ist missverständlich.

In Frankreich wurde ökumenisch die Formulierung der Vaterunsers verändert.
Damit nicht der Eindruck entsteht, dass Gott uns in Versuchung führt.
Dort heißt es nun:

„Führe uns so, dass wir nicht in Versuchung geraten“
oder genauer im Wortlaut: „Lass uns nicht in die Versuchung eintreten“.

Die nächste Bitte: „Sondern erlöse uns von dem Bösen“
ist wie ein tiefes Seufzen… wenn wir am Abend die Nachrichten schauen
oder am Morgen die Zeitung lesen, dann spüren wir, wie nötig dieses Gebet ist .

Und gleichzeitig wissen wir, dass wir in dieser Welt nicht nur „Gutes“ erfahren,
sondern auch die dunkle Seite zum Leben dazu gehört.

Not, Krankheit, Tod, Unterdrückung, schreiende Ungerechtigkeit, Gewalt, Unvernunft

  • im Vaterunser ist es wie ein Aufschrei… einer der uns guttut, weil wir es in Verbindung mit Gott bringen … unser Seufzen … unseren Aufschrei:
    Herr, mach dem Elend ein Ende

Erlöse uns von dem Bösen.

Ich finde es interessant, dass in der Textfassung, die auf den Evangelisten Matthäus zurückgeht, der abschließende Lobpreis nicht zu finden ist.

Spätere Bearbeiter konnten das aber nicht gut so stehen lassen. Denn zum Gebet gehört für sie ein Abschlusslobpreis und darum wurde er hier sehr früh in den bestehenden Text eingefügt und alte Textzeugen haben ihn auch.

Als Evangelische sind wir es gewohnt, den Abschlusslobpreis zu sprechen und sind dann manchmal überrascht, wenn das Vaterunser in einem katholischen Gottesdienst nach der letzten Bitte abbricht und der Lobpreis dann erst zu einem späteren Zeitpunkt folgt.

Das Vaterunser-Gebet ist für uns ein wertvoller Schatz, den wir bei uns tragen.
Für unser Gebet finden wir Worte und selbst wenn wir selber stumm vor Entsetzen sind,
können wir diese aussprechen, denn wir tragen sie in uns, weil sie sich uns eingeprägt haben.

In dieses Gebet können wir miteinander einstimmen und eine tiefe Verbundenheit spüren.

Dieses Gebet begleitet uns auf unserem Weg durch das Leben und tröstet uns.
Wir sind nicht allein – Gott ist an unserer Seite. Der Vater im Himmel segnet und behütet uns.
Der mütterlich sorgende Gott ist über uns, bei uns, in uns und auch unter uns, um uns zu tragen oder aufzufangen, wenn wir fallen.

Amen

 

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